Kaum ein Vogel vereint so viel menschliche Sympathie auf sich wie die Schwalbe – vordergründig. Früher galten Schwalben als Boten des Glücks, die das Haus vor Feuer und Blitz sowie das Vieh im
Stall vor Krankheiten bewahrten. Noch heute gilt die erste aus dem afrikanischen Winterexil zurückgekehrte Schwalbe bei vielen als Anzeichen dafür, dass die Freibadsaison nicht mehr weit ist, und
tief fliegende Schwalben warnen angeblich rechtzeitig vor drohendem Regen.
Die meisten Menschen also mögen Schwalben, und als Kulturfolger fühlen sich die Vögel in einer von Menschen geprägten Umgebung grundsätzlich wohl. Ideale Voraussetzungen also für eine harmonische
Koexistenz, und dennoch gehen die Bestände von Mehl- und Rauchschwalbe – von denen ist in diesem Beitrag die Rede – seit Jahren zurück. Wesentliche Ursachen dafür sind fehlende Nistmöglichkeiten
sowie ein Mangel an geeignetem Material für den Nestbau.
Die Mehlschwalbe mit ihrem leuchtend weißen Bürzel und Bauch sowie dem tief gekerbten Schwanz nutzt vor allem rau verputzte Hauswände unter geschützten Dachvorsprüngen zum Bau ihres Nestes. Sie brütet gerne in großen Kolonien, und dies nicht immer zur Freude der menschlichen Gastgeber, die sich am Kot und den Resten des Nistmaterials an Fassaden und auf dem Boden stören. Viele Nester werden daher mutwillig zerstört, dabei würde ein einfaches, einen halben Meter unterhalb der Nester angebrachtes Brett oder eine regelmäßige Säuberung bereits wirksam Abhilfe schaffen.
Rauchschwalben sind von ihren Verwandten durch die langen Schwanzspieße und eine braunrote Färbung von Kehle und Stirn gut zu unterscheiden. Früher bauten sie ihre Nester gerne an offenen Kaminen oder Rauchfängen, daher der Name. Doch längst bevorzugen Rauchschwalben Balken oder Mauervorsprünge in Ställen, Scheunen oder Carports. Leider bleiben die notwendigen Einflugluken nach Renovierungen zunehmend verschlossen oder sind bei Neubauten gar nicht erst vorhanden – insofern muss die Rauchschwalbe als Modernisierungsverlierer gelten.
Beide Arten leiden zudem unter der Asphaltierung von Feldwegen, die es ihnen immer schwerer macht, in Pfützen den Lehm für den Nestbau zu finden. Durch die zunehmende Hygiene in den Ställen, die
Aufgabe landwirtschaftlicher Betriebe sowie den hohen Pestizideinsatz auf den Feldern geht auch ihre Nahrung – Insekten, Schmetterlinge, Mücken oder Eintagsfliegen – vielerorts zurück. Die
Zerstörung von Schilfbeständen vernichtet zudem wichtige Rastplätze der Schwalben.
Um die friedliche Koexistenz von Mensch und Schwalbe zu fördern, hat der NABU Mecklenburg-Vorpommern im Jahr 2007 die Aktion „Schwalbenfreundliches Haus“ ins Leben gerufen. Eine wesentliche
Ursache war der Unmut vieler Touristen, die vor allem wegen der intakten Natur in den Nordosten Deutschlands gekommen waren. „Die Leute haben bei uns angerufen und sich beschwert, dass
Schwalbennester in ihren Urlaubsdomizilen zerstört werden“, erinnert sich Projektleiterin Britta Gronewold.
Bei dieser Aktion belohnt der NABU all jene Hausbesitzer mit einer Plakette, die Schwalben an ihren Gebäuden brüten lassen und das Brutgeschehen sogar durch das Aufhängen von „Starthilfen“ für
den Nestbau oder die Anlage einer Lehmpfütze fördern. Vor allem Hotels, Pensionen und Restaurants profitieren von dieser gut sichtbaren Auszeichnung, die den Betrieb als schwalben- und damit auch
als naturfreundlich auszeichnet.
Seit 2008 können sich auch Privatleute mit ihren Häusern beim NABU um die Schwalbenplakette bewerben. Bis heute haben rund 700 Schwalbenfreunde in Mecklenburg-Vorpommern an der Aktion
teilgenommen. Eine Auszeichnung ist Britta Gronewold besonders gut in Erinnerung: „Als sich das Dorint Strandresort & Spa Ostseebad Wustrow bei uns gemeldet hat, haben wir doch sehr über die
insgesamt 120 Schwalbennester an dem Vier-Sterne-Hotel gestaunt.“
Alle schwalbenfreundlichen Hotels, Ferienunterkünfte und gastronomischen Betriebe in Mecklenburg-Vorpommern werden – sofern sie das wünschen – auf der Website des NABU-Landesverbandes
veröffentlicht. So können sich interessierte Urlauber ganz leicht über schwalbenfreundliche Unterkünfte informieren.
Mittlerweile ruft auch der NABU Nordrhein-Westfalen zur Meldung und Auszeichnung schwalbenfreundlicher Gebäude auf. Bereits im ersten Jahr erhielten 400 Bewerber die begehrte Plakette. Die
NABU-Landesverbände in Rheinland-Pfalz und Thüringen haben eine ähnliche Aktion unter dem Motto „Schwalben willkommen!“ gestartet, auch Ortsgruppen wie in Güglingen und Grafenhausen (beide
Baden-Württemberg) oder im hessischen Edertal greifen den Schwalben unter die Flügel.
Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer, und eine Aktion wie diese ist sicher nicht die alleinige Rettung für Mehl- und Rauchschwalbe. Neben der grundsätzlichen Verbesserung ihrer
Lebensbedingungen ist es für die kleinen Flugkünstler allerdings von großer Bedeutung, dass der Mensch ihre Nähe nicht nur duldet, sondern sogar schätzt. Die große Resonanz auf die NABU-Aktion
„Schwalbenfreundliches Haus“ zeigt, dass ein gutes Auskommen von Schwalbe und Mensch keine Utopie sein muss.
von Bernd Pieper